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Wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung des Bauingenieurwesens
In der Geschichte der Menschheit gab es immer wieder Personen, die außergewöhnliche Leistungen erbracht und ihr eigenes Fachgebiet nachhaltig verändert haben.
Einstein hat die Physik revolutioniert, Marie Curie die Chemie und Pythagoras die Mathematik. Auch in der Historie des Bauwesens gab es viele herausragende Persönlichkeiten, die bedeutende wissenschaftliche Beiträge zur Weiterentwicklung der Branche geleistet haben.
So unterschiedlich die Methoden und Fachgebiete dieser Persönlichkeiten dabei auch waren, so hatten sie dennoch eines gemeinsam: Sie waren allesamt ihrer Zeit voraus, haben Bestehendes hinterfragt und sich auf unbekanntes Terrain begeben. Die Erkenntnisse aus ihren Experimenten und Forschungen haben einen rasanten technischen Fortschritt ermöglicht und das Bauwesen zu dem gemacht, was es heute ist.
In der folgenden Auflistung werden sieben Personen vorgestellt, die jeweils auf unterschiedliche Weise dazu beigetragen haben, die Art, wie wir bauen, zu verbessern und dadurch das heutige Bauingenieurwesen maßgeblich geprägt haben.
1 – Joseph Monier
Joseph Monier gilt als Erfinder des Stahlbetons. Er wurde in einer kleinen Gemeinde in Frankreich geboren und arbeitete dort ursprünglich als Gärtner.
Da die bisher verwendeten Pflanzenkübel aus Lehm oder Holz nicht sehr lange haltbar waren und schnell verwitterten, suchte Monier nach einem geeigneten Ersatz. Er experimentierte dazu mit einer Zementmischung, in die er eine Einlage aus Eisenstangen und einem dünnen Drahtgeflecht einarbeitete, in der Hoffnung, die Festigkeit der Kübel dadurch zu erhöhen.
Nach den ersten Erfolgen erkannte Monier schnell das Potenzial seiner Idee und erwarb im Jahr 1867 ein Patent für sein “System für tragbare Eisen- und Zementkübel für den Gartenbau”.
Er vertiefte daraufhin seine Forschungen und führte weitere Experimente durch, um seine Erfindung zu verbessern und neue Anwendungsgebiete zu untersuchen. In den Jahren danach wendete Monier seine Technik des Verbundes von Zement und Drahtgeweben für den Bau von weiteren Konstruktionen an, wie etwa Wassertanks, Brücken oder Träger.
Der auf diesem Prinzip basierende Stahlbeton ist in der heutigen Zeit nach wie vor einer der wichtigsten Baustoffe der Welt, ohne den viele der modernen Bauwerke nicht möglich wären. Allein in Deutschland werden jedes Jahr mehr als 100 Millionen Kubikmeter Stahlbeton verbaut.
2 – Eugène Freyssinet
Eugène Freyssinet war ein französischer Bauingenieur, der als Erfinder des Spannbetons Bekanntheit erlangt hat.
Während seiner beruflichen Tätigkeit im Brückenbau beschäftigte sich Freyssinet zunehmend mit den Eigenschaften von Beton, insbesondere mit dessen Kriech- und Schwindverhalten. Er arbeitete dabei außerdem an der Entwicklung von Verfahren zur Vorspannung von Stahlbeton-Bauteilen, um diese noch leistungsfähiger zu machen.
Nach intensiven Forschungen meldete Freyssinet 1928 offiziell das grundlegende Patent für Spannbeton mit Verbund im Spannbett an. In den Jahren darauf arbeitete er an der Weiterentwicklung seiner Spannbetontechnik und errichtete die ersten vorgespannten Bauteile.
Spannbeton ist aufgrund seiner zahlreichen Vorteile aus dem modernen Bauingenieurwesen nicht mehr wegzudenken:
Durch die Vorspannung von Bauteilen können Risse und Verformungen erheblich reduziert werden. Außerdem ermöglicht die Verwendung von Spannbeton kleinere Querschnittsabmessungen, wodurch sich das Eigengewicht verringert. Dadurch wiederum lassen sich deutlich höhere Spannweiten als mit herkömmlichen Stahlbeton-Bauteilen erreichen.
Klassische Anwendungsgebiete für Spannbeton sind beispielsweise der Brückenbau oder weitgespannte Deckenelemente im Hochbau.
3 – Karl von Terzaghi
Der österreichische Bauingenieur Karl von Terzaghi gilt als Begründer der modernen Bodenmechanik und Geotechnik. Er entwickelte Theorien und führte Experimente durch zur Bodenkonsolidierung, zum Erddruck und zur Stabilität und Tragfähigkeit von Böden.
Zur damaligen Zeit vertraten die meisten Fachleute im Bereich des Grundbaus die Meinung, dass geotechnische Problemstellungen nur durch Erfahrungen gelöst werden konnten, nicht jedoch durch mechanische Modelle.
Terzaghi widersprach dieser Meinung vehement und veröffentlichte im Jahr 1925 mit seinem Werk “Erdbaumechanik auf bodenphysikalischer Grundlage” das erste umfassende Lehrbuch über die Bodenmechanik.
Neben seinen Forschungen war Terzaghi ebenso an zahlreichen Projekten aus der Praxis beteiligt, wie Staumauern, Staudämmen und Brückenkonstruktionen. Außerdem lehrte er als Professor an verschiedenen renommierten Universitäten, darunter Harvard und das Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Für seine bemerkenswerten Leistungen im Bereich der Bodenmechanik wurde Terzaghi mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt und erhielt insgesamt neun Ehrendoktortitel von unterschiedlichen Universitäten.
Der nach ihm benannte Terzaghi Award gilt bis heute als höchste Auszeichnung der Bodenmechanik und wird seit 1963 regelmäßig von der American Society of Civil Engineers (ASCE) für herausragende Beiträge zur Geotechnik in den USA vergeben.
4 – Karl Culmann
Der deutsch-schweizerische Bauingenieur Karl Culmann ist der Begründer der graphischen Statik und gilt als einer der bedeutendsten Ingenieurwissenschaftler des 19. Jahrhunderts.
Seinem Credo “das Zeichnen ist die Sprache des Ingenieurs” folgend, veröffentlichte Culmann im Jahr 1866 sein Hauptwerk “Die graphische Statik”, in dem er Verfahren beschrieb, mit denen die in Bauwerken wirkenden Kräfte geometrisch erfasst und zeichnerisch bestimmt werden können.
Seine Überlegungen zur graphischen Statik ermöglichten es Culmann, unkomplizierte und anschauliche Lösungen für komplexe baumechanische Problemstellungen zu finden.
Er hat damit die Entwicklung des Bauingenieurwesens und der Baustatik maßgeblich beeinflusst und vorangetrieben.
Culmann war außerdem der erste Professor für Bauingenieurwesen an der ETH Zürich, an der er Fächer wie Stahlbau, Brückenbau, Eisenbahnbau, Straßenbau und Wasserbau lehrte und Vorlesungen über die graphische Statik hielt.
Zu seinen Schülern gehörte unter anderem auch Maurice Koechlin, der auf Basis der graphischen Statik den Eiffelturm in Paris entwarf und berechnete.
5 – Isaac Newton
In einer Auflistung über Menschen, die das Bauingenieurwesen geprägt haben, darf eine Person nicht fehlen: Sir Isaac Newton. Der englische Physiker, Mathematiker und Astronom war einer der einflussreichsten Wissenschaftler der Geschichte. Seine Forschungen und seine wissenschaftlichen Erkenntnisse haben das damalige Verständnis in vielen Bereichen grundlegend verändert und sind auch für das Bauwesen von hoher Relevanz.
In seinem berühmten Werk “Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” (deutsch: Die mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie) aus dem Jahr 1687 beschrieb Newton die Gravitation und formulierte die Bewegungsgesetze, die das Fundament der klassischen Mechanik bilden.
Das sich daraus entwickelnde Anwendungsgebiet der technischen Mechanik ermöglichte neue Konstruktionsmethoden sowie die Berechnung und den Bau komplexerer Bauwerke.
Bis heute ist die technische Mechanik ein elementarer Bestandteil von Ingenieurstudiengängen, wie dem Bauingenieurwesen und dem Maschinenbau.
6 – Nora Stanton Blatch Barney
Die US-Amerikanerin Nora Stanton Blatch Barney war die erste Bauingenieurin in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 1905 erhielt sie an der Cornell University im Bundesstaat New York ihren Abschluss im Bauingenieurwesen mit Auszeichnung.
Im selben Jahr, in dem sie ihren Universitätsabschluss erhielt, wurde sie außerdem als erstes weibliches Juniormitglied in die American Society of Civil Engineers (ASCE) aufgenommen, dem amerikanischen Berufsverband für Bauingenieure.
Nachdem Barney die Altersgrenze für die Juniormitgliedschaft überschritten hatte, beantragte sie im Jahr 1916 die Vollmitgliedschaft, welche ihr jedoch aufgrund ihres Geschlechtes verweigert wurde. Ihre anschließende Klage gegen Diskriminierung blieb erfolglos und wurde abgewiesen. Einige Jahre nach ihrem Tod hat die ASCE Barney im Jahr 2015 posthum zum Vollmitglied befördert.
In ihrer erfolgreichen Berufslaufbahn als Bauingenieurin arbeitete Barney unter anderem bei der New Yorker Behörde für Wasserversorgung, für Brückenbau- und Stahlbauunternehmen sowie am Ende ihrer Karriere als Immobilienentwicklerin.
7 – John Augustus Roebling
Der deutsch-amerikanische Bauingenieur John Augustus Roebling (ursprünglich Johann August Röbling) gilt als bedeutendster Brückenbauer des 19. Jahrhunderts.
Roebling wurde 1806 in Thüringen geboren, wanderte jedoch nach Abschluss seines Ingenieurstudiums mit den Schwerpunkten Tief- und Brückenbau, Hydraulik und Architektur nach Amerika aus. Im Laufe seiner beruflichen Karriere entwickelte Roebling das Luftspinnverfahren für Drahtseilbrücken und erbaute zahlreiche Hängebrücken in den USA.
Sein berühmtestes Werk ist die Brooklyn-Bridge in New York, deren Fertigstellung er allerdings nicht mehr miterleben konnte. Wenige Jahre nach Beginn der Planungen für die Brücke starb Roebling im Jahr 1869 an einer Infektion, die er sich in Folge eines Unfalls bei Vermessungsarbeiten an einem Brückenpfeiler zuzog.
Sein Sohn übernahm die Arbeiten daraufhin, erkrankte jedoch drei Jahre später und wurde teilweise gelähmt. Schlussendlich wurde die Brücke durch dessen Frau Emily Warren Roebling fertiggestellt.
Mit einer Spannweite von 487 Metern war die Brooklyn Bridge damals die mit Abstand längste Hängebrücke der Welt, wodurch sie große Aufmerksamkeit erhielt und zum Wahrzeichen der Stadt wurde.