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Wofür kann Künstliche Intelligenz in der Baubranche genutzt werden?
Der Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI) stammt aus der Informatik und beschreibt die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Leistungen wie Lernen, logisches Denken, Problemlösen und Kreativität nachzuahmen. Eine allgemeingültige und konsistent genutzte Definition existiert allerdings nicht, weswegen der Begriff für viele unterschiedliche Verfahren verwendet wird.
In den letzten Jahren haben sich in der Forschung erhebliche Fortschritte ergeben und die Künstliche Intelligenz hat sich spürbar weiterentwickelt. KI ist heutzutage in aller Munde und rückt immer weiter in das öffentliche Bewusstsein und in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit – und das auch aus gutem Grund:
Die potenziellen Verwendungsgebiete für KI-Anwendungen sind unzählig und es werden laufend neue Einsatzmöglichkeiten für verschiedene Wirtschaftsbereiche entwickelt, darunter auch zahlreiche für die Bauindustrie.
Mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz lassen sich Baustellen effizienter gestalten, Prozesse automatisieren und Fehlerquellen reduzieren. Dadurch können Bauvorhaben schneller realisiert werden und über den gesamten Projektzyklus hinweg Kosten eingespart werden.
Auch Kriterien wie Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit lassen sich durch KI-Methoden optimieren.
Das Wertschöpfungspotenzial bei der Implementierung von Anwendungen und Softwarelösungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz ist enorm, weswegen der Einsatz entsprechender Arbeitsverfahren für die Baubranche immer wichtiger wird.
In diesem Artikel werden Dir exemplarisch 5 Anwendungsgebiete Künstlicher Intelligenz für das Bauwesen vorgestellt. Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt nur einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen und spannenden Möglichkeiten der Zukunft dar:
KI-Einsatzgebiet 1: Generatives Design
Das sogenannte Generative Design steht für einen softwarebasierten Entwurfsprozess, bei dem mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz unter Einhaltung vorgegebener Randbedingungen und Designvorgaben eine Vielzahl von dreidimensionalen Entwürfen erzeugt wird.
Die KI untersucht dabei potenzielle Ausführungsvarianten und spielt automatisch verschiedene Szenarien durch. Während des Entwurfsprozesses werden unterschiedliche Möglichkeiten der Konzeption eines Bauwerkes analysiert und verschiedene Lösungsmöglichkeiten berechnet.
Die Programme beziehen in die Berechnung unter anderem die Auswirkungen und Wechselwirkungen von Variationen der verwendeten Baustoffe, der eingesetzten Bauverfahren und Geräte sowie der Arbeitstaktung mit ein.
Das Ziel des Generativen Designs ist es, den bestmöglichen Entwurf zu finden, um das Projekt dadurch so kostengünstig und effizient wie möglich herzustellen und die verfügbaren Ressourcen optimal auszunutzen.
Das US-amerikanische Unternehmen Alice Technologies ist mit der Software ALICE (Artificial Intelligence Construction & Engineering) einer der bekanntesten Vertreter des Generativen Designs im Bauwesen. ALICE wurde bereits in mehreren Bauvorhaben erfolgreich eingesetzt, unter anderem zur Verbesserung eines bestehenden Entwurfes für ein Wohnungsbauprojekt der AF Gruppen aus Norwegen. Dort konnten mit Hilfe der KI-Software insgesamt mehr als 300 alternative Lösungskonzepte in nur vier Tagen entwickelt werden, von denen sieben wiederum besser als die ursprüngliche Planung waren.
Eine beeindruckende Leistung, wenn man bedenkt, wie lange es dauern würde, mit herkömmlichen Arbeitsmethoden eine derart hohe Anzahl an Entwurfsvarianten auszuarbeiten. Bei dem finalen Entwurf konnte die Bauzeit schlussendlich um insgesamt 18% gesenkt werden. Die Kosten der Baumaßnahme reduzierten sich ebenfalls drastisch und wurden um 15 % gemindert.
KI-Einsatzgebiet 2: Automatisierte Bauprojekt-Recherchen
Auch wenn es bei der derzeitigen Marktlage vielleicht anders erscheinen mag, so ist die Beschaffung von neuen Aufträgen für Bauunternehmen dennoch ein äußerst wichtiges Thema, das mit einem hohen Arbeitsaufwand einhergeht und dadurch erhebliche Zusatzkosten erzeugt. Herkömmliche Vertriebsmaßnahmen, der Aufbau eines Netzwerkes und das Prüfen von Ausschreibungen sind sehr zeit- und kostenintensiv. Mit Hilfe geeigneter KI-Software lässt sich ein Teil der benötigten Prozesse automatisieren, um den manuellen Arbeitsaufwand zu reduzieren und die Erfolgsquote zu verbessern.
Ein prominentes Unternehmen, das ein solches Lösungskonzept anbietet, ist Building Radar. Das Startup aus München stellt eine Software bereit, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz 24 Stunden täglich hunderttausende Online-Zeitungsartikel, Ausschreibungsunterlagen, Pressemeldungen und Websites von Architekten und Planern durchsucht, um neue Projekte und Bauvorhaben zu finden.
Die Software kann dabei in einer kurzen Zeitspanne mehr Dokumente und Information analysieren, als es einem Menschen in derselben Zeit jemals möglich wäre und ersetzt beziehungsweise ergänzt damit die üblichen Vertriebswege.
Die ermittelten Projekte werden anhand verschiedener Kriterien gefiltert und gemäß den Anforderungen und Leistungen des jeweiligen Bauunternehmens ausgesucht. Der erforderliche Arbeitsaufwand reduziert sich dadurch auf das anschließende Bewerten und Aussuchen der Vorschläge, die das System erstellt hat.
Auf diese Weise lassen sich nicht nur mehr potenzielle Projekte auffinden, sondern diese werden auch deutlich schneller identifiziert. Der zeitliche Vorsprung gegenüber den Konkurrenten bietet im weiteren Verlauf des Wettbewerbes einige bedeutende Vorteile:
Zum einen gewinnen die Bauunternehmen mehr Zeit, um sich auf die Vergabe vorzubereiten und wichtige Informationen zu sammeln. Zum anderen können sie proaktiv auf den potenziellen Auftraggeber zugehen und diesen von den eigenen Fähigkeiten überzeugen oder alternative Bauverfahren ins Gespräch bringen, die die Stärken des Unternehmens ausspielen.
KI-Einsatzgebiet 3: Arbeitssicherheit auf Baustellen
Die Arbeitssicherheit ist ein zentrales Thema für die Bauindustrie und für den täglichen Betrieb auf der Baustelle. Auch heutzutage passieren im Baugewerbe noch immer zahlreiche Arbeitsunfälle, einige davon sogar mit Todesfolge.
Nach der BG Bau sind im Jahr 2020 insgesamt 97 Beschäftigte infolge eines Arbeitsunfalles auf deutschen Baustellen tödlich verunglückt – 27 Personen mehr als im Jahr zuvor. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, Unfällen vorzubeugen und geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen umzusetzen.
Künstliche Intelligenz lässt sich nicht nur dazu nutzen, die Effizienz von Baustellen zu erhöhen oder um Abläufe zu optimieren, sondern auch um das Gefährdungspotenzial zu reduzieren und den Baustellenbetrieb für alle beteiligten Personen sicherer zu gestalten.
Es existieren dabei zahlreiche verschiedene Möglichkeiten und Anwendungsbereiche zur Verbesserung der Arbeitssicherheit. Beispielsweise können folgende KI-Anwendungen zum Einsatz kommen:
- Ausführen gefährlicher Tätigkeiten durch autonome Roboter oder Drohnen (z.B. Aufmaße von Dachflächen oder Arbeiten in gefahrstoffbelasteten Bereichen)
- Vorhersagen von Kollisionen mit Hilfe von Sensorik und Kameras
- Intelligente Videoüberwachung zur Überprüfung des Einsatzes geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und weiterer Sicherheitselemente
- Sensoren in der Arbeitskleidung zur Erfassung körperlicher Überlastung
- Identifizieren von potenziellen Gefahrenzuständen mit Hilfe Intelligenter Drohnen
Einige dieser Anwendungen lassen sich auch mit anderen Einsatzzwecken kombinieren. So können etwa intelligente Drohnen nicht nur zur Optimierung und Kontrolle des Arbeitsschutzes verwendet werden, sondern auch für zahlreiche weitere Funktionen.
Das kalifornische Unternehmen Skycatch bietet zum Beispiel intelligente Drohnen an, die mit Bild- und Videoaufnahmen der Baustelle vollautomatisiert 3D-Modelle erzeugen und auswerten können.
Mit Hilfe der generierten Daten kann das System außerdem eigenständig Aufmaße erstellen, den Baufortschritt digital visualisieren und Soll-Ist-Vergleiche des Baufortschrittes durchführen.
Durch die integrierte Bilderkennungssoftware sind die Drohnen dabei zusätzlich in der Lage, mit Hilfe von Verfahren der Künstlichen Intelligenz Baustellenelemente, wie Baumaschinen oder Geräte zu erkennen (siehe nebenstehende Abbildung).
KI-Einsatzgebiet 4: Autonome Baumaschinen und Robotik
Neben intelligenten Drohnen gibt es auch zahlreiche weitere Möglichkeiten des Einsatzes von autonomen Systemen, die die Arbeit auf Baustellen in Zukunft erleichtern können und die Sicherheit verbessern.
Beispielsweise sind autonom fahrende und arbeitende Baumaschinen, wie etwa Transportfahrzeuge oder Muldenkipper, in der Lage, sich ohne einen Fahrer zu bewegen und vollautomatisiert zu agieren. Der Entfall der Notwendigkeit einer Fahrerkabine erlaubt zudem neue und flexible Maschinenprofile, die bisher nicht möglich waren.
Die Entwicklungen im Gebiet der autonomen Maschinen für den Baustellenbetrieb befindet sich größtenteils noch relativ am Anfang. Das langfristige Ziel ist es jedoch, mit Hilfe von Sensorik, 3D-Modellen und Künstlicher Intelligenz Baumaschinen zu erschaffen, die miteinander vernetzt sind, Muster erkennen und sich automatisch an Umgebungsverhältnisse anpassen, sodass sie alle vorgesehenen Arbeiten eigenständig ausführen können.
Zusätzlich zu autonomen Baumaschinen spielt auch die KI-basierte Robotik im Bauwesen eine immer größere Rolle. Es befinden sich zum Beispiel Bauroboter in der Entwicklung, die für Vermessungsaufgaben eingesetzt werden können, im Mauerwerksbau, für Montage- und Schweißarbeiten oder für zahlreiche andere Aufgabengebiete. Potenziell lässt sich jeder repetitive Bewegungsablauf automatisieren und durch Robotik-Systeme übernehmen.
Das Ziel ist auch hierbei ein teilweise beziehungsweise vollständig automatisierter Baustellenbetrieb.
KI-Einsatzgebiet 5: ChatGPT
Über ChatGPT im Hochschulkontext und als Hilfestellung zum Verfassen von Texten wurde bereits in den beiden Artikel ChatGPT im Studium: 5 Tipps für das Bauingenieurwesen und ChatGPT – Texte schreiben mit Künstlicher Intelligenz berichtet.
Der Chatbot beziehungsweise das dahinterliegende Generative Sprachmodell GPT-3.5 (Generative Pre-trained Transformer) liefert beeindruckende Ergebnisse und bietet zahlreiche nützliche Funktionen. Dies spiegelt sich auch in der Beliebtheit und der rasanten Verbreitung des KI-Dialogsystems wider. Mit einer Anzahl von insgesamt einer Millionen Nutzern in nur 5 Tagen ist ChatGPT mit großem Abstand die am schnellsten wachsende Online-Plattform derzeit. Zum Vergleich: Instagram besetzt den zweiten Platz auf der Liste, hat jedoch 15-mal so lange gebraucht für dieselbe Nutzerzahl.
Durch die hohe Leistungsfähigkeit im Bereich text- und sprachbasierter Anwendungen eröffnet der KI-Chatbot insbesondere vielen kleineren Bauunternehmen und Handwerksbetrieben zahlreiche neue Möglichkeiten:
Ein wichtiges Einsatzgebiet ist die Übersetzungsfunktion beziehungsweise das Generieren von Texten in anderen Sprachen. Auf Baustellen arbeiten häufig Fachkräfte aus mehreren verschiedenen Ländern zusammen, was gewisse sprachliche Hürden mit sich bringt und mit einer Anfälligkeit für kommunikative Missverständnisse einhergeht.
ChatGPT kann hierbei Abhilfe schaffen und bietet einen entscheidenden Vorteil gegenüber herkömmlichen Übersetzungs-Tools, da der Chatbot eigenständig neue Texte in einer vorgegebenen Sprache erstellen kann, anstatt lediglich einen vorgeschriebenen Text Wort für Wort zu übersetzen.
Wörtliche Übersetzungen führen nicht selten zu ungeeigneten Texten und sonderbaren Formulierungen, weswegen ein generatives Sprachmodell häufig bessere und verständlichere Ergebnisse erzielt.
Die Optimierung der Kommunikation und das Vermeiden von Missverständnissen führt zu einer verminderten Fehleranfälligkeit und hilft dabei, Ineffizienzen in der Arbeitskoordination und -ausführung zu reduzieren.
Ein weiterer Themenbereich, bei dem ChatGPT in Bauunternehmen Verwendung finden kann, ist bei der Erstellung von Texten zu werbetechnischen Zwecken und für die externe Kommunikation.
Kleinere Betriebe, die nicht die notwendigen zeitlichen und monetären Ressourcen zur Verfügung haben, um professionelle Texte für die öffentliche Darstellung des Unternehmens erstellen zu lassen, können ihre Werbepräsenz und ihre Medienwirksamkeit mit Hilfe von ChatGPT auf einfache Weise verbessern.
Der Chatbot ist in der Lage, ansprechende und gut formulierte Texte für jegliche Verwendungszwecke zu schreiben, wie etwa Werbetexte für die eigene Homepage, Stellenausschreibungen für das Anwerben neuer Mitarbeiter oder Textpassagen für den Social-Media Auftritt des Unternehmens. Der Stil und die Art der generierten Texte lässt sich mit ChatGPT nach Belieben anpassen, sodass sich problemlos ein einheitliches Konzept erzeugen lässt, das exakt auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten ist.
Die Einsatzmöglichkeiten der Texterzeugung von ChatGPT gestalten sich äußerst vielfältig, sind jedoch größtenteils nur für kleinere Betriebe der Baubranche sinnvoll. Größere Bauunternehmen werden von der Textgenerierung seltener profitieren, da diese in der Regel eine eigene Medien- und Werbeabteilung haben, die derartige Aufgaben übernimmt.
Auf eine Verwendung von ChatGPT zu Kalkulationszwecken und zur Angebotserstellung sollte aufgrund der begrenzten mathematischen Fähigkeiten des Chatbots verzichtet werden.